Wie du bist, wenn du auf mich wirkst, ist schon durch mich beeinflusst, aber nicht wie ich gewöhnlich bin, sondern durch mich, wie ich geschehe mit dir.
Gene Gendlin: Ein Prozess-Modell 2016, S. 95
Wir sind es sehr gewohnt, in getrennten Einheiten zu denken, in Objekten, auch Personen verstehen wir als solch getrennte Einheiten, die sich begegnen. Wenn zwei miteinander in eine Interaktion treten, besteht die Vorstellung, dass es einen Anfang gibt, einen ersten Satz, etwas, worauf sich die andere Person dann bezieht. Solche Interaktionen lassen sich dann zurückführen auf diesen ersten Satz. In Streitgesprächen hauen wir uns dann häufig um die Ohren, womit der andere angefangen hat.
Gendlin hat ein ganz anderes Verständnis von solchen Interaktionen, von den Begegnungen von Ich und Du. „Interaction first“ ist eins der Konzepte, die seinem Modell zugrunde liegen. Also keine getrennten Objekte, die in Interaktion miteinander treten, sondern die Interaktion an sich ist da. Es ist ein Ereignis, das geschieht. Das Prozesshafte rückt in den Fokus.
Treten wir ein in so einen Prozess. Gleichzeitig geschieht etwas, wenn ich in der Situation bin. Ich bin da und du bist da und wir sind ein Ereignis, wir sind die Situation. Es gibt keinen Anfang, es ist eher ein Eintreten. Und schon verändert es sich! Ich geschehe mit dir und Du geschiehst mit mir.
Liebe Christiane,
danke für diesen wunderbaren Blog-Beitrag.
Die Gendlin-Worte lesen sich für mich so als ob sie in einer Interaktion zwischen Gene Gendlin und Martin Buber entstanden sein könnten.
Martin Buber hätte dann vielleicht gesagt: „Der Mensch wird am Du zum Ich.“ (aus Bubers dialogphilosophischem Hauptwerk „ich und du“ – 1923)
Buber spricht dabei nicht allein das menschliche Du an, sondern meint das göttliche Du (und Ich …) gleich mit.
Herzliche Grüße,
Anke
Liebe Anke,
danke für Deine lieben Worte und das Weiterdenken. Ja, Bubers Ich und Du – und das Hinausführen bis zum göttlichen Du – oder auch das Göttliche im Du entdecken.
Lieben Gruß, Christiane