Ukraine

Heute abend beginnt die 3. Impulskonferenz des Deutschen Focusing Institutes. Gleichzeitig lese und höre ich von überall die Schreckensnachrichten über die Ukraine. Ich bin so voll von Gedanken, Gefühlen, Ängsten, Wünschen (ect.) …

Darf und kann ich die Konferenz genießen, trotz allem? Meine Freude ist durch Corona und das online-Format schon deutlich geschmälert. Wie gerne hätte ich alte WeggefährtInnen getroffen, ja sogar umarmt. Kaum denke ich das, so meldet sich in mir eine Stimme: Luxusprobleme!

Im Vergleich zur Situation in den vielen Krisengebieten der Welt ist das tatsächlich ein Luxusproblem. Gleichzeitg weiß ich, dass der Wunsch nach Kontakt, Nähe und Berührungen bei den Menschen groß ist, ja schon viele in unserem Land über den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie krank geworden sind. Welches Leid wiegt schwerer? Leid lässt sich nicht mit Leid vergleichen, das habe ich schon länger gelernt.

Ich sitze mit all den schweren Gedanken, und auf einmal kommt mir das Partialisieren in den Sinn. Wie von selbst formen sich die Sätze: Ein Teil von mir ist wütend auf den Kriegstreiber und gleichzeitig ist auch Dankbarkeit da, dass in unserem Land schon so lange Frieden ist. Etwas in mir hat Angst, wie es weitergehen wird. Ein Teil von mir ist in Sorge um die Kinder dieser Welt. Dennoch ist so viel Freude über die geliebten Enkelkinder da. Etwas in mir möchte die Kinder dieser Erde so gerne schützen und fühlt sich doch so hilflos.

So lange purzeln Sätze, Gefühle, Emotionen aus mir heraus. Es dauert, bis es leichter wird, und zum Verschwinden bringen kann ich die Sorgen damit auch nicht. Das ist auch nicht die Intention vom Partialisieren. Aber es hilft, dass vieles einfach nebeneinander da sein darf.

Als ich meinen Workshop für den Samstag geplant habe, war für mich klar, dass ich gerne mit den TeilnehmerInnen das Schwere und das Schöne im Leben ansehen will. Beides nebeneinander, so wie das Leben ist.

Ich weiß, dass der Frieden in mir beginnt, das ist, was ich tun kann. Deswegen gehe ich nicht nur aus Pflichtgefühl zur Impulskonferenz , sondern darf dort meinen inneren Frieden nähren.

Tief unter all dem schwingt die Bitte: Mögen alle Wesen frei sein vom Leiden.

„Immer das JETZT ist wahr.“

Interview über Focusing im Alltag und in der Psychotherapie mit Dipl.-Psych. Steffen Hieber, Freiburg

Steffen Hieber, Focusingtherapeut und -ausbilder, in einem spannenden und lebendigen Gespräch mit der Psychologin Eva Jonas. Natürlich geht’s dabei um Focusing! Steffen erzählt, wie es entstanden ist, und erklärt wichtige Begriffe wie den Felt Sense, Freiraum und Saying Back. Er berichtet aus seiner psychotherapeutischen Praxis und beschreibt einfühlsam den manchmal einfachen, manchmal aber auch ängstigenden Weg, der zu einer authentischen Begegnung mit sich selbst führt. Eva, die selber auch Focusing-Erfahrung hat, stellt die richtigen Fragen, um dieses Gespräch in die Breite, aber auch in die Tiefe gehen zu lassen.

Es geht um Vertrauen, Intuition, Entscheidungen – und vor allem sind sich die beiden einig, dass man Focusing nicht verstehen kann, ohne es erlebt zu haben! So, wie man auch den Geschmack einer Tomate auch durch noch so ausführliche Beschreibungen nicht kennenlernen kann.

Darüber hinaus stellen die beiden Bezüge zur Achtsamkeitspraxis her, sprechen über verschiedene Anwendungsgebiete für Focusing und denken über die Unterschiede zwischen Focusing und Psychoanalyse bzw. Verhaltenstherapie nach.

Und schließlich wird auch die Frage beantwortet, was Sie tun können, wenn Sie Focusing kennenlernen möchten.

Vorwort zum Blog

von Klaus Renn

Meinen Wunsch für den Blog möchte ich in einer Geschichte ausdrücken, die in unterschiedlichen kulturellen Kontexten erzählt wird:

„Ein Großvater sagte einst zu seinem Enkel: „In mir findet ein Kampf statt, ein Kampf zwischen zwei Wölfen. Einer ist schlecht, böse, habgierig, eifersüchtig, missgünstig, arrogant und feige. Der andere ist gut – er ist ruhig, liebevoll, bescheiden, großzügig, ehrlich und vertrauenswürdig.
Diese Wölfe kämpfen auch in Dir und in jedem anderen Menschen.“

Der Junge dachte einen Moment nach und fragte dann: „Welcher Wolf wird gewinnen?“

Der alte Mann lächelte.

„Der Wolf, den Du fütterst.“ (Nacherzählt in Anlehnung an Rutger Bregman, 2020: IM GRUNDE GUT

Dieser Focusing-Blog möge den Wolf in uns nähren, der sich und andere zu mehr Leben erweckt, der gerne lebt, sich mit seinen Mitmenschen verbindet, Sehnsucht verspürt nach einer gesunden Umwelt, einer gerechteren globalen Gesellschaft und sich mit dem GANZEN verbindet.

Meine Wünsche für den Blog:

  • Einen Raum aufspannen, in welchem wir neue Denk- und Handlungsmuster finden.
  • Mut machen zu unkonventionellem Handeln, welches ein MEHR an Leben schafft.
  • Erinnern, welches Glück wir haben (trotz allem), in dieser Demokratie und diesem unglaublichen Wohlstand zu leben.
  • Unterstützen, (Focusing)-Netzwerke zu erschaffen und unsere Demokratie teilhabender und gerechter zu gestalten.
  • Und natürlich wünsche ich mir auch, dass wir über diesen Blog den Wolf in uns nähren, der Sehnsucht kennt und in Verbindung zum Universum, zum Tiefen und zum Göttlichen steht.
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Was ist Freiraum und wie kann ich mehr davon bekommen?

Ein Audio zum Thema Freiraum aus dem Audio-Adventskalender Plätzchen für die Seele

Eva Gregor und Julia Haardt haben im Advent 2020 und 2021 miteinander einen Adventskalender mit Hördateien gestaltet. Passend zur Vorweihnachtszeit nennen die Beiden diese kleinen Höranleitungen „Plätzchen für die Seele“. Meist sind es Anleitungen, die zum Mitmachen einladen und ohne jegliche Kenntnisse von Focusing umsetzbar sind.

Das hier hinterlegte Plätzchen fällt etwas aus der Reihe, denn es ist ein „Erklär-Plätzchen“. Das Thema „Freiraum“ im Sinne von Focusing wird leicht verständlich erklärt und macht Lust, dazu auch eine Übung auszuprobieren.

Wieso ist das keine Rose geworden?

Diese Frage klingt vielleicht ein bisschen naiv. Schon Gertrude Stein wusste 1913 „Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose.“ Und dies da oben ist keine Rose.

Klar, Sie wissen das auch und ich ebenso. Meine Frage ist aber: Woher wusste es das kleine Samenkorn in der Erde? Woher wusste es, dass es in der warmen, feuchten Erde keimen soll und sich zu einem Pflänzchen entwickeln? Woher wusste es, wie die Blätter auszubilden sind und am Ende gar eine so wunderbare Blüte entstehen kann?

Wenn wir unseren Blick jetzt auf unsere Spezies richten. Woher wusste ich und mein Körper, was er im Mutterleib zu tun hat? Nicht nur die Biologen interessiert diese Frage. Auch die Philosophen und Psychologen beschäftigt diese Frage.

Die verschiedenen Schulen und Denkrichtungen geben dem Phänomen unterschiedliche Namen. Als Pädagogin mag ich den von der Pädagogin Maria Montessori geprägten Begriff vom „inneren Bauplan des Kindes“ besonders gerne. Natürlich ist da kein Bauplan mit festgelegten Maßeinheiten und Angaben gemeint. Vielmehr geht es darum, dass es im Kind ein inneres Wissen gibt, an dem sich die Entwicklung orientiert. Dieser Bauplan ist dynamisch und kann sich in einem gewissen Rahmen an äußere Gegebenheiten anpassen. Ernährung z.B. beeinflusst die körperliche Entwicklung in erheblichem Maße. So sind z.B. Eier und Zucker Faktoren, welche die Reifung beschleunigen. Dies ist ein Baustein der Erklärung, warum die Menarche der Frauen immer früher eintritt.

Dieser innere Bauplan umfasst aber nicht nur die körperliche Entwicklung, sondern auch die psychische. So hat Frau Montessori beobachtet, dass Kinder in einer bestimmten Zeit für bestimmte Lerninhalte aufgeschlossen sind, was aber sehr individuell ist. Diese Spanne, in der sich ein Kind ganz einem bestimmten Lernfeld hingeben will, nennt sie sensible Phasen.

Die Psychologie interessiert sich auch für die Entwicklung des Menschens. Sie untersucht dabei das menschliche Erleben und Verhalten und die Bedeutung von inneren und äußeren Einflüssen darauf. Hier sind die Modelle der humanistischen Psychologie besonders wichtig für mich geworden. Ihnen liegt ein ähnliches Vertrauen in die Kräfte des Individuums zugrunde, wie es bei Frau Montessori zu finden ist.

Der wohl bekannteste Vertreter dieser Denkrichtung ist Carl Rogers, der Begründer der personenzentrierten, nicht-direktiven Gesprächstherapie. Er sieht in jedem Individuum enorme Möglichkeiten angelegt, sich zu entfalten. Störungen entstehen, wenn irgendetwas  die Entwicklung behindert.

Eugene Gendlin, der Begründer von Focusing, ist ebenfalls in der humanistischen Psychologie verwurzelt.

Gendlin und Rogers beschreiben ihre Überzeugung, dass im Menschen die Kräfte zur Entfaltung bereits angelegt sind, auf unterschiedliche Weise. Rogers nennt es Aktualisierungstendenz (Stumm, G. (2000). Aktualisierungstendenz. In Wörterbuch der Psychotherapie (pp. 14-15). Springer, Vienna.). Eugene Gendlin nennt es „carrying forward“ und möchte den Begriff nicht gerne ins Deutsche übersetzt haben.

Fortsetzung folgt

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